Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Weiteres

Login für Redakteure

Forschung


Morphologische und molekulare Evolution der Samenpflanzen

Samenpflanzen stellen die ökonomisch und ökologisch bedeutsamste Gruppe der Landpflanzen dar. Sie zeigen im Bereich unterschiedlichster Merkmale – angefangen von der Morphologie bis hin zur molekularen Organisation der Zellen – eine erstaunliche Variabilität und Anpassungsfähigkeit. Schwerpunkt unserer Forschung ist es, die Evolution in all diesen Bereichen und die Stammesgeschichte (Phylogenie) der Organismen besser zu verstehen. Hierzu verwenden wir unterschiedliche Methoden. Sie reichen von morphologischen, licht- sowie elektronenmikroskopischen bis hin zu molekularbiologischen Untersuchungsverfahren an der Erbsubstanz DNA. Derzeitig vorrangige Forschungsfelder sind die raum-zeitliche Entfaltung, Biogeographie und morphologische Evolution von grasartigen Samenpflanzen (Süßgräser, Sauergräser und Verwandte) und Pflanzen der Gebirgsregionen. Wir interessieren uns dabei für die Entstehungszentren der Pflanzen, Ausbreitungswege, Auswirkungen der Eis- und Warmzeiten, Strategien der Anpassung (z.B. Polyploidie, Genomgrößen), chromosomale und genetische Variation sowie Taxonomie und Nomenklatur.

Im Rahmen unserer laufenden Forschungsprojekte sind Forschungsgruppenpraktika, Projektstudien, Qualifizierungsarbeiten wie Bachelor- und Masterarbeiten, Abschlussarbeiten für Lehramts-Studierende und Dissertationen möglich. Qualifizierungsarbeiten im Bereich der botanischen Wissenschaftsgeschichte können ebenfalls durchgeführt werden. Je nach Thema wird ein unterschiedlich breites methodisches Spektrum angewendet: u.a. Anzucht des Pflanzenmaterials und eigene Aufsammlungen (Feldarbeiten), Arbeiten im Herbarium und Botanischen Garten, Laborarbeiten im Bereich der molekularen Biologie, Durchflusszytometrie, licht- und rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen, unterschiedliche Auswertungsmethoden am Computer, Literaturarbeiten, wissenschaftliches Schreiben, Publizieren der Ergebnisse auf Englisch in internationalen Zeitschriften mit Peer-Review-Verfahren. Die Arbeiten können prinzipiell jederzeit angefangen werden, das Arbeitsprogramm und Umfang werden individuell abgesprochen. Wenden Sie sich bei Interesse an die unten aufgeführten Mitarbeiter!

Erforschung der Gräser (Poaceae) gemäßigter Klima-Regionen

Littledalea racemosa Keng. Foto: N. Tkach

Littledalea racemosa Keng. Foto: N. Tkach

Littledalea racemosa Keng. Foto: N. Tkach

Die letzten Forschungsarbeiten an nord- und südhemisphärischen Gräsern haben gezeigt, dass einige Gruppen, die als einheitlich galten, in Wirklichkeit unterschiedlichen Abstammungslinien angehören. Beschaffung von Material, Laborarbeiten und/oder licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen sowie Auswertung vorhandener Literatur der ausgewählten Studiengruppen sollen durchgeführt werden. Systematische und taxonomische Schlussfolgerungen und Konzepte wären das Ziel der Arbeiten.

Chromosomen und Genom-Evolution in Süßgräsern (Poaceae)

Chromosomen

Chromosomen

Von einem evolutionären Standpunkt aus fasziniert die Familie der Gräser (Poaceae) durch ihre hohe Vielfalt an unterschiedlichen Chromosomenzahlen, Genomgrößen, Ploidiestufen und karyotypischen Merkmalen. Die Chromosomenzahlen reichen von 2n = 4 in einigen Arten (z.B. Colpodium) bis hin zu 266 in anderen mit Ploidiegraden von 2x bis 22x. Die Genomgrößen variieren zwischen einem Minimum von 1C = 0,4 pg (in Brachypodium, Unterfamilie Pooideae) und maximalen Größen von 1C = 19,7 pg (in Bouteloua, Unterfamilie Chloridoideae). Manchmal findet man eine große Karyotyp-Variation innerhalb von Arten, häufiger allerdings innerhalb von Gattungen. Andere Vertreter hingegen weisen innerhalb einer ganzen Gattung oder sogar über mehrere Gattungen hinweg denselben Karyotyp auf. Allerdings erleichtern Fluoreszenz-in situ-Hybridisierungen (FISH) mit fluorochrom-gelabelten DNA Proben oder genomische in situ-Hybridisierungen (GISH) die Unterscheidung solcher sehr ähnlicher Chromosomen und helfen bei der Identifizierung verschiedener Genome nach Hybridisierung und/oder Polyploidisierung in den betreffenden Arten. Kombiniert mit phylogenetischen Analysen ist die molekular-cytogenetische Methode ein vielversprechender Ansatz um die Evolution, Systematik und Biogeographie der Familie der Poaceae bzgl. (1) Chromosomen-Evolution (2) phylogenetischen Beziehungen zwischen Arten (3) Mechanismen interspezifischer Hybridisierung und Polyploidisierung in natürlichen Populationen, (4) Genom-Evolution in Polyploiden und (5) Differenzierung von Karyotypen in Grasarten und ihre Verbreitungsmuster näher zu untersuchen.

Sauergräser (Cyperaceae) – Schwerpunkt Carex

Carex atrofuscoides K.T.Fu - eine typische Art des östlichen Qinghai-Tibetischen Hochlands, China, Sichuan, Foto: S. Gebauer

Carex atrofuscoides K.T.Fu - eine typische Art des östlichen Qinghai-Tibetischen Hochlands, China, Sichuan, Foto: S. Gebauer

Sauergräser sind eine der größten und ökologisch wie biogeographisch am stärksten differenzierten Gruppen der Samenpflanzen. Unsere Arbeiten, insbesondere an der Gattung Carex mit >2000 Arten, finden im Rahmen einer weltweiten Bearbeitung durch ein großes Netzwerk an Wissenschaftlern (Global Carex Group) statt. Mikro- und makromorphologische Untersuchungen, Stammbaumrekonstruktionen (Phylogenie) und DNA-Barcoding unter Verwendung von Chloroplasten- und Kernmarkern sowie biogeographische Untersuchungen und Nischenevolution bilden hier Schwerpunkte unserer Forschungsarbeiten.

Mikromorphologische Untersuchung bestimmungskritischer Sauergräser (Cyperaceae) der deutschen Flora

Carex Nuss. Foto: S. Gebauer

Carex Nuss. Foto: S. Gebauer

Die Oberflächenbeschaffenheit vegetativer Organe (Blätter und Stängel) sowie Stomata-Verteilung und –dichte werden mittels nicht-invasiver lichtmikroskopischer (LM) Methoden (Abdruckverfahren) systematisch und standardisiert an Herbarbelegen erhoben. Die Ergebnisse können auch in einem ökologisch-standörtlichen Kontext zur Erweiterung des Kenntnisstands unterschiedlicher verwandtschaftlicher Linien (z. B. Bolboschoenus, Carex, Schoenoplectiella/Schoenoplectus) und ihrer Identifikation beitragen (Schwesterarten, Artengruppen/-komplexe, Gattungen übergreifend).

Biogeographie und Evolution der alpinen Gattung Saxifraga (Steinbrech)

Saxifraga pubescens subsp. iratiana. Foto: M. Röser

Saxifraga pubescens subsp. iratiana. Foto: M. Röser

Saxifraga pubescens subsp. iratiana. Foto: M. Röser

Die große Gattung Saxifraga gehört zu den charakteristischen Elementen der Hochgebirgsvegetation. Erste Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe zu ausgewählten Vertretern der gesamten Gattung haben deutliche geographische Gruppierungen der Arten v.a. in der Sektion Porphyrion gezeigt. Die Verwandtschaftsbeziehungen im Detail und die biogeographischen Zusammenhänge (historische Wanderungsbewegungen durch klimatische Fluktuationen, Nischenevolution und Anpassung an die unterschiedlichen Lebensräume) sollen aufgeklärt werden.

Genomgrößenuntersuchungen (flow cytometry, Durchflußzytometrie) im phylogenetischen und evolutionären Kontext

Die Genomgrößen weisen mitunter große inter- und intraspezifische Variationen auf und können Aufschlüsse zur Evolution einer Pflanzengruppe geben. Die Genomgrößen aus dem vorbereiteten Silicagel-getrocknetem Pflanzenmaterial werden mithilfe des Durchflusszytometers ermittelt und die Daten im phylogenetischen Kontext ausgewertet.

Gräser (Dr. Winterfeld, Prof. Dr. Röser, Dr. Tkach), Carex (Dr. Gebauer), Saxifraga (Dr. Tkach) und andere Gruppen werden hierbei in unserem Labor untersucht.

Rasterelektronenmikroskopische (REM) Untersuchungen an Samenpflanzen (Oberflächen, Trichome, etc.)

Deckspelzen und Grannen

Deckspelzen und Grannen

Deckspelzen und Grannen

Rasterelektronenmikroskopische (REM) Untersuchungen können für Fragestellungen an allen obengenannten Pflanzengruppen durchgeführt werden. Hierfür steht eine Vielzahl von Präparations- und Analysemethoden zur Verfügung (Nieder- und Hochvakuum, Kritisch-Punkt-Trocknung, Goldbeschichtung, etc.).

Zum Seitenanfang